Graffiti in Lübeck begann Anfang der 90er Jahre. Vermutlich gab es schon früher erste Gehversuche, doch begann meine Beobachtung erst zu späterer Zeit.

Lange Zeit noch erhalten blieb ein illegaler Character von Slam im Kolk.

Die erste Crew, die mir in Erinnerung ist, ist die PAC (Power Art Crew). Sie verteilten Bilder an der Line und an der Autobahn. Auch in der Stadt kann man in kleineren Nebenstraßen ab und zu noch ein altes SERONE Tag entdecken. Andere Namen aus den Anfängen waren KOBRA, EWOK, BREAK.

Doch bis dahin wurde in Lübeck erst vereinzelt gemalt. 1994 brach jedoch die erste große Welle los. Im südlichen Lübeck fand man unzählige BTC-Tags (B-Team Combat), die allerdings stylemäßig teilweise erheblich zu wünschen übrig ließen. Auch hauptsächlich durch Tags fiel HEP (Hardcore Eimer Projekt) auf. Kings zu dieser Zeit waren eindeutig KDZ. ZIKO und AMOG waren all-city. In einem Artikel schreiben die Lübecker Nachrichten, es gebe in Lübeck 400 AMOG-Tags. AMOG-Tags finden sich noch immer in allen Ecken Lübecks. Hinzu kamen noch COR, KWEN und COKE. KDZ malen an der Line, entlang den Stadtbuslinien und an der Autobahn, auch einzelne Züge sind zu sehen. Ähnlich vielseitig ist zu dieser Zeit nur die MK-Posse mit RAME und HATE (Milchkannen Posse).

Zu dieser Zeit mußte man noch nach Hamburg fahren, um Dosen zu kaufen. Einzig Sport-Karstadt(!) hatte eine zeitlang Skinnies und Fatcaps – allerdings hatten die SparVars unbezahlbare Preise von 11,98 DM.

Andererseits hat die Polizei mit den noch recht unerfahrenen Writern ein relativ leichtes Spiel und durchaus Fahndungserfolge vorzuweisen.

Die Graffitischwerpunkt verlagert sich jedenfalls aus der Stadt an die Linie. KOS (Kacken ohne Scheißpapier) malen aufwendige Murals an der Linie zwischen Lübeck und Hamburg, meist ZOYS, SON und ein Character von PCPRO. Später kam TAW hinzu. So kann man, wenn man heute von Lübeck nach Hamburg fährt, noch zahlreiche Produktionen sehen. Die im Reinfelder Bahnhof sind ziemlich verblichen, aber in Ahrensburg und Bargteheide ist z.B. noch immer eine ZOYS PCPRO und eine TAW PCPRO Produktion an der Linie zu sehen. Einige ebenfalls aufwendige Produktionen kamen von der ATP (Aerosol-triefende Penner) mit BOMBAY und NIK.

Doch in unmittelbarer Bahnhofsnähe passierte wenig, noch immer waren nur die Reihe AMOG COR MK zu sehen. In Richtung Süden war lediglich ein ZICO KDZ, das erst 2001 übermalt wurde. Erst 1996 waren über Nacht an der gesamten Linie KHC Bombings entstanden. Bald war es kaum möglich, im Lübecker Bahnhof keinen KHC-Zug zu sehen. Davon angespornt, fanden sich in Richtung Schwartau SIREK Bombings und auch die Linie wurde unter Bombinggesichtspunkten primär von SC neu in Angriff genommen. So war es vor allem die SC-Crew, die systematisch und teilweise großflächig die Linie verchromte. Parallel dazu tauchten wieder größere Bombing in der Stadt auf. Neben einigen MECKÜZ bombte RDM systematisch die Stadt in noch nie dagewesener Art und Weise. RDM ließ dabei keine Stelle aus, unabhängig davon, wie riskant sie war. Dabei kamen noch Bilder der RDM-Mitglieder FYK, CIR, CUSTOM und ILL hinzu – RDM waren unangefochtene Kings und all City.

An der Linie entstanden nun auch einige DSF Bombings.

Auf dem Höhepunkt der RDM-Welle entwickelten sich aber auch neue Crews. Insbesondere die SFK (Shore Für Kinder) und die IBM (Ich Brauch Mehr) Crew malten erst an der Autobahn, später in der Stadt und an den Bahnlinien. Bei SFK waren es Anfangs vor allem YES und BESK sowie VOKS und VISA, bei der IBM SONAR, BIENE, ELSTA. Vermutlich war SONAR einer der talentiertesten und vielseitigsten Writer, die Lübeck in den vergangenen Jahren erlebt hat. Zahllose bunte Bilder an der Linie burnten manche Bilder an der Hall of Fame zu jener Zeit. Aber auch manche Silberbilder haben einen selten erreichten Flow. Doch während die SFK-Crew ihre Aktivitäten eher auf den Zugbereich insbesondere in Hamburg verlagerte, ebbte die IBM-Welle und mit ihr die SONAR-Attacke ab.
Ein Phänomen dieser Tage ist auf jeden Fall ZONK. Der Name ZONK tauchte nie in Verbindung mit einer Crew oder zusammen mit einem anderen Namen auf. ZONK-Bilder waren immer zweifarbige Blockletter und eigentlich immer an guten Stellen an der Straße.

Andere traten das Erbe an. Allen voran IVS (Bedeutung unbekannt), die ab Weihnachten 1999 in RDM-Manier nahezu die gesamte City bemalten aber alles noch in der Größe toppten und teilweise auch Gästen wie der BIA-Crew die Straßen Lübecks zeigten.

Gleichzeitig kamen in Lübeck neue Crews auf, wie LPS (Lübeck Psycho Squad), KNC (Kids ´N Crime). KNC konnte durch mehrere große Bombings im Citybereich auf sich aufmerksam machen. Dazu kam 2001 die TK (Totaler Krieg), die in der City zahlreiche TK-Chrom-Bubbleletter und Solopieces verteilten. Andere junge Crews wie DS, IBS, 321 begannen ebenfalls zunächst mit Streetbombing. Spätestens Sommer 2001 war zumindest die Innenstadt in der Hand von JUKY und OFER, die als Team ihre Namen überall verteilt hatten. Parallel dazu tauchten SVEK, CRAK, JIEK, IKON, WAKZ, FINT, AMOS und Naik in der Stadt auf.

Die Polizei berichtet 2002 von zahlreichen Erfolgen, aber Lübeck ist immer noch voll von Graffiti. Nun schreiben wir das Jahr 2003 – Graffiti lebt auch wenn man keinen mehr kennt, der etwas macht.

BLUEZ 2k3

"... Es hat doch keiner mehr eine ahnung wie es in lübeck mit graffiti begonnen hat..." (zitat aus dem northernlines guestbook)